leben mit behinderung

Ab morgen bin ich schwerbehindert

Es klingt nach Vorsatz, ist aber die rückwärts laufende Uhr einer Diagnose.


Nicht das Ereignis überrascht und stellt einen vor (neue) Tatsachen. Dann ist es gegeben. Sondern das Ereignis kommt auf einen zu, sichtbar, unaufhaltsam. Das ist eine andere Situation, als ein Unfall oder andere plötzliche Beeinflussung der Gesundheit. Also schreibe ich hier gegen die rückwärts laufende Uhr und mir den Kram von der Seele.

Ein Viertel Jahrhundert

Ohne die Fortschritte in der Diagnostik und Behandlung in den letzten Jahrzehnten wären viele Menschen schneller oder länger krank. Insofern ist das Leben in unserer modernen Zeit und Gesellschaft schon des Dankes wert. So konnte mit immer besseren Medikamenten und präziser Kontrolle das fortschreitende Defizit aufgefangen werden. Aber es war klar, dass es den Punkt geben  wird, an dem das Auffangen nicht mehr ausreicht. Sicher wünscht sich jeder, dass der Zeitpunkt noch möglichst lange in der Zukunft liegen möge. Aber irgendwann ist (neudeutsch) der Drops gelutscht.
Das hat dann 15 Jahre gedauert. So gesehen doch eine lange Zeit, sich vorzubereiten.

Warmlaufen

Was ist besser? Ein Schlag und es ist, wie es ist? Oder eine lange Zeit mit ungewissem Datum, aber der Gewissheit, dass der Schlag kommt? Schwer zu beantworten. Ich kenne ja nur den zweiten Fall. Wie ein Sportler läuft man sich (gedanklich) warm. Das Thema nimmt immer mehr Raum ein, bestimmt die Gedanken. Aus dem Ärgernis (muss noch einen Namen dafür finden, dann wird es personifiziert und greifbar) erwächst Übersicht und Planung. Wann haben Sie zuletzt aktiv die kompletten Tagesabläufe gescannt? Das tut nötig, um die Behinderungen zu erkennen, die dann wirken. Das braucht Mensch, um schon jetzt räumlich und organisatorisch zu planen. Wenn heutige Abläufe zukünftig nicht oder nur eingeschränkt funktionieren, braucht es Überlegungen dazu. Erweitert wird das Gedankenportfolio noch, wenn die Arbeit und Reisen dazu kommen. Jedes bedingt Umstellungen und Einschränkungen. Jedes.

Unglückliche Verkettung

Die (verdammte) Corona-Krise hat verhindert, dass ich einige (sowieso geplante) Reisen tätige. Zu lieb gewordenen Menschen in Deutschland und Europa. Um Sie zu sehen (Reisen wird bald nicht unmöglich, aber behindert), den ganzen Mist zu bereden, Rat einzuholen und eine Umarmung. So gesehen ist 2020 mehr als nur merkwürdig. (des Merkens würdig). Und verhinderte ausgerechnet jetzt die Freiheit, die wir als so selbstverständlich erachten, verhinderte Wiedersehen und gelebte Freundschaft. Das nehme ich Corona persönlich übel. Es wäre eine willkommene Abwechslung / Ablenkung gewesen. Schöner Mist!

Was bleibt

Ausdauer und langer Atem war schon in der letzten Etappe gefragt. Die zweite dauert 8-10 Jahre. Mit den gegebenen Einschränkungen und dem Hoffen, dass es hilft. Die Wartezeit auf die dritte Etappe. Auch hier kommt es unweigerlich, im (diesmal) besten Fall eher. Und möglicherweise hat die Forschung noch ein Ass im Ärmel, welches sie der Behandlung zuspielen kann. Bei den technologischen und Wissen-Sprüngen unserer Zeit gut möglich. Etwas Hoffnung machen mir da die Besuche des jährlichen Zukunftskongress. Dort treffe ich Menschen, die mit ihren Visionen und realisierten Plänen für heruntergeklappte Unterkiefer sorgen, wenn ich das Bild einmal bemühen darf. (Lesen Sie dazu hier mehr.)

Zwischen den Zeilen

Der geneigte Leser des Blogs weiß, dass ich nicht für Likes und Kommentare schreibe. Sondern für mich und aus mir. Allen Zwischen-den-Zeilen-Lesern sei hiermit ausdrücklich ins Stammbuch geschrieben: Dieser Beitrag ist nicht geschaffen, um Aufmerksamkeit zu buhlen oder Stimmen zu erheischen. Es steht jedem frei, sich zu äußern. Auch mir.

Schreiben hilft

Einer lieben kranken Freundin habe ich vor Jahren einen Rat gegeben. Sie war schlimmer dran, wesentlich schlimmer. Es hat sehr lange gedauert, bis Sie aus dem (unverschuldeten) Loch wieder raus gekommen war. Mein Rat: Schreib es auf, dann ist es raus und drückt nicht mehr . Und dann steht es geschrieben da. Sie hat dann tatsächlich angefangen , einen kleinen Blog mit Ihrer Geschichte und ihrem Leben zu füllen. Mir brauche ich den Rat nicht geben, denn ich schreibe ja schon immer und viel. Vielleicht kennen Sie ja einen Menschen in ähnlicher Situation. Dann reichen Sie den Rat gerne weiter. Danke.